Kürzlich beim Monster Energy Cup – dem weltweit „reichsten“ Motorradrennen – setzte Marvin Musquin das deutlichste Zeichen seiner zehnjährigen orangefarbenen Karriere, dass er bereit ist, das Red Bull KTM-Team in Nordamerika zu noch grandioseren Triumphen zu führen.
Marvin Musquin (FRA) KTM 450 SX-F Las Vegas (USA) 2017
Ryan Dungey hinterließ in der Werkstatt von Red Bull KTM im kalifornischen Murrieta eine große Leere. Der vor Kurzem zurückgetretene Fahrer mit der Nummer 5 wurde in seiner Laufbahn dreimal Weltmeister in der AMA Supercross, der zweitpopulärsten Motorrad-Rennserie der Welt. Wenn die Rennserie am 6. Januar in Anaheim in eine neue Saison startet, wird Marvin Musquin versuchen, diese Tatsache zu ignorieren und der Meisterschaft mit der KTM 450 SX-F in seiner dritten Saison seinen eigenen Stempel aufzudrücken.
Der Franzose feiert bald das Ende seines ersten Jahrzehnts bei Red Bull KTM und mit seinem jüngsten Erfolg beim Monster Energy Cup in Las Vegas – er ist der erst zweite Fahrer in der siebenjährigen Geschichte des Fixtermins für geladene Fahrer, der alle drei Zehn-Runden-Hauptrennen gewinnen und innerhalb von nur einem Nachmittag Millionär werden konnte – setzte der 27-Jährige ein deutliches Zeichen, dass er vorhat, die von Dungey letztes Jahr eingeheimste Krone zu übernehmen und noch einen auf seinen 250 SX-Titel und seine beiden Weltmeistertitel in der MX2 draufzusetzen.
„Ich bin unheimlich stolz.“ So kommentierte Marvin Musquin im Sam Boyd-Stadium seine zehnjährige Amtszeit auf KTM SX-F-Motorrädern und seinen ersten Weltmeistertitel im Jahr 2009. „Ich möchte mich bei Red Bull KTM und Pit Beirer dafür bedanken, dass meine Karriere so gut läuft und ich in der Lage bin, mit diesem Team und der KTM 450 SX-F um die Meisterschaft zu kämpfen – ein Traum geht in Erfüllung. In dieser Position zu sein, ist einfach großartig, und ich kann mir nicht vorstellen, irgendwo anders zu fahren.“
Musquin ist ein unglaublich talentierter Fahrer – schmal gebaut, aber mit der Fähigkeit gesegnet, das Motorrad praktisch telepathisch zu lenken und die Pirelli-Reifen auf den härtesten Supercross– und Motocross-Strecken immer punktgenau zu platzieren. „Er ist technisch enorm stark und hat in manchen Situationen spezielle Tricks drauf. Er könnte einer der Besten aller Zeiten sein“, so KTM-Motorsportdirektor Pit Beirer, der Mann der Marvin zur Mitte der Saison 2009 unter Vertrag nahm. „Marvin und ich haben eine enge Beziehung. Er kam unter besonderen Umständen zu KTM und es ist sehr schön zu sehen, wie gut er unterwegs ist. Ich habe immer an ihn geglaubt und in guten Zeiten hat er für uns Meisterschaften gewonnen, er musste aber auch einige schwere Verletzungen in Kauf nehmen und eine Reihe von Comebacks starten. Wenn er technisch Vertrauen schöpfen kann, ist er so gut, dass er Unglaubliches zu leisten vermag. 2016 machte er einen weiteren Schritt vorwärts und konnte Ryan im Supercross das Leben schwer machen, was auf diesem Niveau eine beachtliche Leistung ist: Ich glaube, wir sind bereit für die Zeit ‚nach‘ Ryan Dungey.“
Marvin Musquin (FRA) KTM 450 SX-F Las Vegas (USA) 2017
Der Nummer 25 steht vielleicht ein historisches Jahr und eine echte Chance auf den 450 SX-Titel – einen der wichtigsten des Sports – bevor, seine Anfänge bei KTM entstanden aber aus einer angespannten persönlichen Situation. Der damals aufstrebende Grand-Prix-Newcomer kämpfte verzweifelt um seinen Verbleib in der Weltmeisterschaft und fand in Beirer einen verständnisvollen und willigen Unterstützer.
„Das ist eine völlig verrückte Geschichte und Pit erzählt sie euch sicher gerne“, kommentiert er heute lächelnd. „Ich bin froh, dass wir das am Ende gemacht haben und nach Amerika gegangen sind. Wir kämpften tapfer und hatten ein paar Podestplatzierungen, kamen aber nicht an die Resultate in den GPs heran. Ich bin aber froh, nach Amerika gezogen und bei KTM geblieben zu sein. Keine Saison ist einfach und Motocross ist ein harter Sport. Ich lebe meinen Traum, Rennen auf einer 450er zu gewinnen und muss dranbleiben und eine Meisterschaft gewinnen.“
„Es war eine Zeit großer Emotionen“, erinnert sich Beirer. „Er hatte Probleme; er hatte ein Motorrad, aber kein Geld und musste sich abrackern. Als er weinend vor mir stand, hatte ich das Gefühl, diesem Burschen helfen zu müssen. Das führte aber dazu, dass sich Teile der Szene gegen mich stellten. Es kam sogar zu einer Gerichtsverhandlung und die Polizei hielt uns in Schweden vom Start ab! Jenes Wochenende war dann auch eine ‚Nullnummer‘, beim nächsten stand er aber wieder am Start und gewann in jenem Jahr trotzdem die Meisterschaft. Wir hielten ab dieser Zeit immer zusammen, was uns auch stark zusammengeschweißt hat. Wir haben eine besondere Beziehung und es ist für mich schön zu sehen, wie sich einer unserer Jungs so entwickelt wie er.“
Marvin Musquin (FRA) KTM 450 SX-F Las Vegas (USA) 2017
Egal ob MX2, 250 SX & MX, 450 SX & MX, Motocross of Nations, Bercy Supercross, Red Bull Straight Rhythms oder Monster Cups – Musquin zeigt immer seine Klasse. In Las Vegas gab er nicht nur seine Ambitionen auf den Titel in der siebzehn Läufe umfassenden Supercross-Serie bekannt, sondern schaffte auch das Kunststück, sein Bankkonto mit dem Gewinn des höchsten im Motorradrennsport ausgezahlten Preisgeldes ordentlich aufzustocken. Ein kleiner Meilenstein. Und ein aufregender noch dazu.
„Wir hatten viele Zuschauer und es ist wohl einzigartig, einer Person dabei zuzusehen, wie sie in einer Nacht bei einem Motocross-Rennen eine Million gewinnt“, sagte er in jener Nacht im Sam-Boyd-Stadion. „Ich glaube, dass wir viele Fans erreicht haben und dass die Leute noch lange von diesem Ereignis sprechen werden. Das ist gut für den Sport. Als ich über die Ziellinie fuhr und das Team traf, lachten wir alle wie Irre und ich fragte mich‚ ist das jetzt wirklich passiert?!‘ Es war wie ins Casino zu gehen und den Jackpot zu gewinnen! Es war einfach extrem cool. Das Geld ist eine Sache und man kann damit sicher nicht alles kaufen, aber der Sieg heute Nacht war etwas ganz Besonderes.“
‚Besonders‘ – ein Wort, dass man im Zusammenhang mit MM25 wohl noch öfter in den Mund nehmen wird müssen.
Fotos: Simon Cudby/KTM
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