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DIE KUNST DES BREMSENS IN DER MOTOGP™ UND WIE MAN SIE ERLERNT

In der MotoGP™ dreht sich alles darum, als Erster die Ziellinie zu überqueren. Um das zu schaffen, müssen die Fahrer in der Lage sein, effizient zu verzögern. Wir sehen uns im Detail an, wie der renommierte Bremsenhersteller Brembo die negativen Beschleunigungskräfte für alle vier Red Bull KTM Factory Racing-Fahrer in der MotoGP™ erfolgreich kontrolliert.

@ Sebas Romero/KTM


Ein Bremssystem muss genauso leistungsfähig sein wie der Motor: Ohne ein solches wären die Fahrer in einem Beschleunigungsrennen besser aufgehoben. Natürlich spielt auch die Elektronik eine große Rolle dabei, all diese Power unter Kontrolle zu bringen. Wenn es aber hart auf hart kommt, muss irgendetwas der gewaltigen Leistung der KTM RC16 die Zügel anlegen. Teilweise kümmert sich die elektronisch gesteuerte Motorbremse darum, es braucht aber noch viel mehr, um das Bike wie gewünscht zu verzögern. Und hier kommen die Bremsen ins Spiel.

Jedes einzelne Team in der MotoGP™ – Red Bull KTM Factory Racing und Red Bull KTM Tech3 machen da keine Ausnahme – bedient sich dafür der Produkte des italienischen Herstellers Brembo S.p.A, der seit den frühen 1980ern GP-Bremssysteme entwickelt. Es handelt sich um ein interessantes, aber naheliegendes Monopol. Anders als bei den Reifen gibt es in der MotoGP™ keinen Einheitshersteller für die Bremsen. Seit drei Jahren verwenden aber alle Teams Brembo-Teile.

Andrea Pellegrini @ Guus van Goethem


„Das ist natürlich ein großer Vertrauensbeweis für uns“, sagt Brembos Chefingenieur in der MotoGP™, Andrea Pellegrini. „Wir sind stolz darauf, alle Bikes in der Startaufstellung mit unseren Produkten zu beliefern. Um ehrlich zu sein, würden wir uns aber über etwas Konkurrenz freuen.“ Andreas Aufgabe ist es, alle Fahrer zufriedenzustellen, und das ist manchmal gar nicht so einfach. Zumindest schließen wir das aus seinem dezenten Grinsen. „Alle Fahrer streben immer nach mehr, nach Verbesserung. Nicht nur, was die Power betrifft, sondern auch bei den Bremsen.“

Um den Wünschen aller Fahrer zu entsprechen, unterhält Brembo eine beeindruckende Mannschaft, die KTM und die anderen Hersteller betreut. Bei Brembos Motorsportabteilung in Bergamo, der Heimatstadt des Unternehmens, sind 300 Menschen ununterbrochen dabei, neue und noch bessere Teile zu entwickeln, wobei die MotoGP™ und die Formel 1 den Großteil ihrer Zeit in Anspruch nehmen.

@ KTM


Endlose Möglichkeiten Bergamo liegt gleich nördlich von Mailand, wo die Ingenieure an verschiedenen Bremskomponenten für die MotoGP™ arbeiten. Um Pol Espargaró, Johann Zarco, Miguel Oliveira und Hafizh Syahrin zu erlauben, ihre Rennmaschinen bestmöglich zu verlangsamen, bringt Brembo eine gewaltige Anzahl an Teilen an die Rennstrecke.

Vier wichtige Teile an den Bikes tragen das Brembo-Logo: der Bremszylinder, die Bremssättel, die Bremsbeläge und die Bremsscheiben. In diesen vier Bereichen können die Fahrer aus verschiedenen Optionen wählen. Die Bremsscheiben gibt es etwa in zwei Größen: 320 und 340 mm. Vom Durchmesser abgesehen erfordern verschiedene Situationen auch ganz bestimmte Bremsscheibenmaterialien. Der Goldstandard sind Bremsscheiben aus Kohlefaser-Kohlefaser-Verbundstoff. Diese sind in zwei Varianten mit Unterschieden beim ersten Ansprechen und beim „Bremsgefühl“ erhältlich.

@ Sebas Romero/KTM


Darüber hinaus bietet Brembo auch Bremsscheiben mit größerer Masse an. Diese verzögern noch besser, sind aber etwas schwerer als die „Standard“-Bremsscheiben. Und dann gibt es noch Stahlbremsscheiben, die aber nur im Regen eingesetzt werden. „In der jüngeren Vergangenheit entscheiden sich die Fahrer immer öfter auch im Regen für die Kohlefaser-Kohlefaser-Bremsscheiben“, so Pellegrini. „Die Mechaniker bringen eine Abdeckung um die Scheiben herum an, damit diese nicht unter die optimale Betriebstemperatur abkühlen.“

Bei den Bremszylindern, -sätteln, -belägen und Belag-Materialien ist die Auswahl praktisch grenzenlos. Pellegrini dazu: „Die großen Unterschiede zwischen den Wünschen der Fahrer sind nicht überraschend. Die Bremsen sind ein wichtiges Teil des Puzzles, aus dem sich eine konkurrenzfähige Rennmaschine zusammensetzt. Welche Teile zum Einsatz kommen, unterscheidet sich von Fahrer zu Fahrer. Am Ende ist entscheidend, was ihnen, ihrem Fahr- und Bremsstil am besten entspricht. Es ist die Aufgabe des Teams, eine zuverlässige Konfiguration zu finden und dem Fahrer Vertrauen in die Bremsen zu geben. Teile auszutauschen hilft dem Fahrer in den meisten Fällen nicht. Sie brauchen ein konstantes „Bremsgefühl“, um schnell zu sein.“

Laut Pellegrini verwenden die KTM RC16-Fahrer im Feld alle ein ähnliches Setup. „Sowohl das Werksteam als auch Tech3; die Unterschiede sind minimal. Bei den Bremsen gehen beide denselben Weg.“ Brembos Chefingenieur weiß, wie gut die KTM RC16 beim Anbremsen ist, obwohl die Abstände extrem gering sind. Beim Bremsen kommt es stark auf den Fahrstil des Fahrers an. „Moderne GP-Motorräder schenken sich bei der Bremsperformance nicht viel – hier und da gibt es kleine Unterschiede. Manche Teams verteilen die Bremskraft stärker nach vorn, während andere sich stärker auf die Hinterradbremse konzentrieren. Am Ende basieren solche Unterschiede auf bestimmten Einstellungen der Federung oder der Motorbremse, die wiederum eine bestimmte Bremskraftverteilung notwendig machen – stärker front- oder hecklastig.“

@ KTM


Grip ist alles Bei der Bremsperformance geht es um mehr als nur das, was Brembo liefert. Auch die Einheitsreifen von Michelin spielen dabei eine große Rolle. „Als die MotoGP™ von Bridgestone auf Michelin umstieg, hatten es die Fahrer mit einem ganz anderen Bremsgefühl zu tun, obwohl sich die Bremsen selbst nicht verändert hatten. Die Michelins bieten besonders vorn einen viel besseren Grip, was wiederum die Bremsperformance verbessert. Grip am Vorderrad ist der Schlüssel zu einer guten Bremsperformance. Ohne ihn ist es unmöglich, das Bike zu verzögern. Wenn du keinen Grip hast, blockiert der Vorderreifen und rutscht weg. Der Extra-Grip der Michelin-Reifen hilft unseren Bremssystemen dabei, auf einem hohen Niveau zu funktionieren.“

Auch eine weitere Änderung der jüngeren MotoGP™-Geschichte verhilft den Brembo-Produkten zu fantastischen Leistungen. Pellegrini dazu: „Die Aerodynamik wird immer wichtiger und verhilft den Bikes zu noch mehr Grip. Das heizt die ganze Sache noch mehr an und erlaubt den Fahrern, später zu bremsen. Natürlich setzt das unsere Bremssysteme noch größeren Kräften aus, aber unsere Komponenten werden damit locker fertig.“

@ Sebas Romero/KTM


Um auf die ständigen Veränderungen im Grand Prix-Rennsport zu reagieren, arbeitet man bei Brembo an der kontinuierlichen Verbesserung der Bremssysteme. Um immer am Ball zu sein, sammelt der italienische Hersteller so viele Daten wie möglich. Die riesige Anzahl von Sensoren, die an einem modernen MotoGP™-Bike verbaut sind, ermöglicht Brembo, wertvolle Daten zu G-Kräften, Bremsweg, Geschwindigkeit des Bikes und den damit verbundenen Temperaturen zu gewinnen. Mit Hilfe dieser Daten verbessert man bei Brembo die Bremskomponenten.

„Im Moment konzentrieren wir unsere Entwicklung auf die Bremszylinder und die Bremssättel. Diese Teile entwickeln sich ständig weiter – hauptsächlich, weil uns das gestattet ist. Bei den Bremsscheiben geben uns die Regeln nicht so viele Optionen.“ Wenn es nach Pellegrini ginge, wäre der Spielraum bei den Materialien größer. „Kohlefaser-Keramik-Materialien wären für die MotoGP™ interessant. Diese sind viel leichter als Kohlefaser-Kohlefaser-Verbundstoffe, während der Verschleiß minimal ist. Das würde die Lebensdauer einer Bremsscheibe massiv erhöhen.“

@ Kiska


Daumen drücken Eine der jüngsten Entwicklungen, die viel Interesse auf sich zieht, ist die Daumenbremse. Sie wird bei Rennmotorrädern seit den frühen 90ern eingesetzt und wird heute von immer mehr MotoGP™-Fahrern verwendet. Die Daumenbremse erlangte zum ersten Mal internationale Berühmtheit, als der fünfmalige Weltmeister Mick Doohan beim Grand Prix von Assen schwer verletzt wurde. Brembo entwickelte damals eine Lösung, dank derer er mit dem Daumen bremsen konnte.

Einige Fahrer erkannten die Vorteile der Daumenbremse, das System setzte sich aber nie richtig durch. Erst ein paar Jahre später wurden Daumenbremsen im GP-Rennsport wirklich beliebt. In der jüngeren Vergangenheit haben einige Fahrer ein neues System getestet, bei dem ein dem Handbremshebel ähnlicher Hebel mit den Fingern der linken Hand betätigt wird und parallel zur Kupplung angebracht ist.

@ Kiska


„Heute verwenden die Fahrer die Kupplung nur einmal im Rennen: beim Start. Dadurch haben sie die linke Hand frei, um das Hinterrad zu verzögern“, erklärt Pellegrini. Der Italiener erwartet, dass mehr und mehr Fahrer das neue System annehmen werden. „Einige Fahrer haben bereits Interesse an der neuen Hinterradbremse gezeigt. Ich erwarte aber nicht, dass Fahrer mitten in der Saison umsteigen. Warten wir auf die Wintertests; ich denke, dass ein paar weitere Jungs die Hinterradbremse auf diese Art betätigen werden.“

Irgendwann finden sich die Erfahrungen und Technologien der MotoGP™ auch an Straßenmotorrädern wieder. Obwohl Kohlefaserbremsscheiben keine Option sind, stecken moderne Straßenmotorräder voller Bremstechnik aus dem GP-Rennsport. Radial montierte und Monoblock-Bremssättel sind nur zwei Beispiele: Beide wurden auf der Rennstrecke geboren und entwickelt. Unlängst stellte Brembo seinen GP4-MS-Bremssattel vor, der ebenfalls auf der Strecke entwickelt wurde. „Wir sind nicht der einzige Hersteller, der den Rennsport dazu verwendet, neue Motorradteile zu entwickeln. Die meisten Fahrer werden mir beipflichten, wenn ich sage, dass die Bremsen in den letzten paar Jahren massive Fortschritte gemacht haben. Die Entwicklung in der MotoGP™ hört nie auf und so wird Grand Prix-Technik auch weiterhin in Straßenmodelle einfließen.“

Bilder: Sebas Romero, Kiska, Guus van Goethem, Shot Up Productions

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