Von: Paolo Cattaneo @paolocattaneophoto
Neue Plätze zu erkunden und Grenzen zu sprengen, lässt das Herz jedes Motorradfahrers höherschlagen. In meinem Fall hat diese unbändige Abenteuerlust dazu geführt, dass ich mit meiner KTM 1190 ADVENTURE in den letzten sechs Jahren über 40 Länder besucht und 200.000 km abgespult habe. Nachdem ich vier Kontinente besucht und viele Grenzen passiert habe, präsentiere ich euch hier fünf meiner Lieblingsorte zum Motorradfahren auf der Welt.
Das Ende der Carretera Austral bringt einen dazu über die Schönheit der Natur zu reflektieren, nachdem man über 1.300 km lang ihr bestes Schauspiel zu sehen bekam (Chile). PC @PaoloCattaneo
Wir Adventure-Fahrer sind in vielerlei Hinsicht eine neue Generation von Entdeckern. Die Welt ist unser Spielplatz und wartet darauf, von uns und unseren verlässlichen Packeseln erkundet zu werden. Neue Wege zu erkunden, Gefahren zu bestehen und auf der Suche nach perfekten Fahrerlebnissen Grenzen zu überschreiten, lässt unser Herz höherschlagen.
So sehen 200,000 km in 6 Jahren des Reisens durch 4 Kontinente, über 40 Ländern, auf einer KTM 1190 ADVENTURE auf einer Karte aus. PC @PaoloCattaneo
Nach so vielen Stunden im Sattel ist es schwierig, zu entscheiden, welche Fahrt für mich den ersten Platz belegt. Ich habe auf meiner KTM so viele Abenteuer erlebt, dass es schier unmöglich ist, ein einziges auszuwählen. Aus diesem Grund habe ich meine Top-5 zusammengestellt:
Nr. 1 Carretera Austral, Chile – Südamerika
Ohne Zweifel eine der unter Motorradfahrern berühmtesten Strecken der Welt. Ruta 7 oder Carretera Austral ist ein 1.300 km langer Straßenabschnitt zwischen Puerto Montt und Villa O’Higgins ganz im Süden von Chile. Diese Straße ist ein wahres Paradies für Adventure-Fahrer und Fotografen. Sie ist je zur Hälfte asphaltiert und geschottert, was auf einem voll beladenen Motorrad mit 70/30-Reifen kein Problem darstellt.
Auf der Carratera Austral (Chile) konnte ich nicht anders, als Pausen auf meiner KTM 1190 ADVENTURE zu machen um in den Horizont zu blicken. PC @PaoloCattaneo
Was diese Straße so einzigartig und zu einer der spektakulärsten auf der Welt macht, ist die Tatsache, dass sie sich direkt durch die wunderschönen Fjorde Patagoniens und die majestätischen Anden schlängelt und dabei eine Seehöhe von über 5.000 m erreicht. Ich durchfuhr diese atemberaubende Gegend im Herbst und trotz der manchmal unter den Gefrierpunkt fallenden Temperaturen waren die Farben überwältigend.
Nie zuvor hatte ich ein solch beeindruckendes Naturspektakel erlebt. Schneebedeckte Gipfel, in Rot-, Orange- und hellen Gelbtönen erstrahlende Bäume, türkise Seen und sattgrüne Vegetation. In diesem Eck der Welt gibt es eigentlich nur zwei Risikofaktoren: 1. kann das Wetter mitunter recht extrem werden und 2. wäre da der ziemlich besorgniserregende Verkehr. Außerdem wird die Straße aufgrund ihrer Küstennähe oft eng und rutschig. Trotzdem ist Carretera Austral ein absolutes Muss für jeden Biker.
Bereits auf den ersten Kilometern im Nationalpark Eduardo Avaroa erkennt man die weißen Lagunen in der Ferne (Bolivien). PC @PaoloCattaneo
Nr. 2 Nationalpark Eduardo Avaroa, Bolivien – Südamerika
Dieser Nationalpark befindet sich zwischen San Pedro de Atacama in Chile und der berühmten Salar de Uyuni (Bolivien), der größten Salzwüste der Welt. Der Park ist einzigartig und bei Touristen vor allem für seine farbenprächtigen Lagunen beliebt.
Motorradfahrer müssen beim Durchfahren des EANP mit zwei Problemen fertigwerden: 1. gibt es auf 500 km keine Tankstelle und 2. ist da die Seehöhe. Der Park liegt 4.500 m über dem Meeresspiegel, was das Atmen und Schlafen erschwert. Einmal geriet ich in Panik, weil mir der Kraftstoff ausging, ich aber noch nicht einmal die Hälfte zurückgelegt hatte. Der Sauerstoffmangel und meine Panik begannen, meine Konzentration zu beeinträchtigen. Selbst mit der zusätzlichen Gallone Kraftstoff, die ich bei mir hatte, hätte ich Uyuni nicht erreichen können.
4.300 m über dem Meer erscheint einen diese Landschaft außerirdisch. In der Ferne sieht man die rote Lagune mit ihren pinken Flamingos (Bolivien). PC @PaoloCattaneo
Es wurde spät und ich verfuhr mich einige Male, da es keine klare Beschilderung gibt, der man folgen könnte. Bei der Hälfte der Strecke – direkt bei der roten Lagune – hatte ich nur mehr genug Kraftstoff für 50 km im Tank, während der beißende Wind und die Seehöhe an meinen Kräften zehrten (nachts wird es da gern mal -10 °C kalt). Glücklicherweise kam ein mit Touristen beladenes Allradfahrzeug vorbei, deren Besatzung mir 10 Liter Kraftstoff verkaufte. Außerdem zeigten sie mir eine nahegelegene Hütte, in der ich – vom Wind geschützt – die Nacht verbringen konnte. Was für ein Abenteuer! Diese Gegend ist zweifellos einer der spektakulärsten und schwierigsten Orte zum Motorradfahren auf diesem Planeten.
Der majestätische Huascaran Nationalpark (Peru) gipfelt auf 6.700 Höhenmetern. Der Ausblick und Sauerstoffmangel sind schwindelerregend. PC @PaoloCattaneo
Nr. 3 San Luis – Santa, Peru – Südamerika
Diese Straße, die vom kleinen Ort San Luis am Fuß der 5.300 m hohen Berge des Huascaran-Nationalparks zum berüchtigten Cañon del Pato führt, ist mein Favorit in Peru. Das Klima und Terrain in diesem Nationalpark machen das Fahren auf über 4.000 m Seehöhe zu einer Herausforderung. Der Anstieg zum Pass ist herausfordernd, hat aber auch etwas Magisches an sich. Einmal auf dem Gipfel angekommen, überblickt man eine atemberaubende Schlucht voller türkiser Seen.
Von Mutter Natur verschluckt. In Peru fuhr ich einige der höchsten Schluchten der Erde rauf und runter. PC @PaoloCattaneo
Als ich das Tal erreichte, ging der Offroad-Abschnitt zu Ende und der Spaß fing an. Dieser Teil ist vor allem für den berüchtigten Cañon del Pato bekannt, durch den sich eine Straße zieht, die zwar für beide Fahrtrichtungen genutzt wird, aber nur so breit ist wie ein Kleinwagen – mit pechschwarzen, in den Berg gesprengten Tunneln und einer 80 m tiefen Schlucht auf einer Seite (ohne Leitplanke). Den Nervenkitzel liefert der beunruhigend aufgebrochene Straßenbelag, von dem auf der Schluchtseite ganze Brocken fehlen.
Kein Platz, um Fehler zu machen auf der Cañon del Pato Straße (Peru). PC @PaoloCattaneo
Ich aber war vor allem von der Geschwindigkeit der entgegenkommenden Fahrzeuge – fast ausschließlich Bergbau-Lastwagen und Ortsansässige – schockiert, die ohne Rücksicht auf Verluste diese heikle Strecke hinunterjagten. Unnötig zu erwähnen, dass ich Frontalkarambolage und Stürzen in die Schlucht mehrmals nur um Haaresbreite entging. Es handelt sich hier um eine jener Erfahrungen, von denen man seiner Mutter besser nichts erzählt.
Ein moderner Ritter und sein eisernes Ross in Schottland. PC @PaoloCattaneo
Nr. 4 NC 500, Schottland – Europa
Auch auf dem alten Kontinent gibt es viele Straßen, die eine Erwähnung wert sind. Jedes Land bietet eine lange Liste von Bergpässen, Küstenstraßen oder heiklen Offroad-Pfaden, die atemberaubende Ausblicke versprechen. Meiner Meinung nach aber verdient Schottland aus mehreren Gründen seinen Platz auf dieser Liste. Erstens aufgrund seiner einzigartigen, 500 Meilen langen Küstenstraßen. Und zweitens, weil es eines der wenigen Länder in Europa ist, in dem man wild Campieren darf.
Schottland macht einen sprachlos mit seinen unberührten Landschaften und weißen Sandstränden. Leider hat das Wasser nur etwa 6 – 7°C. PC @PaoloCattaneo
Die NC 500 ist für ihr unberechenbares Wetter und ihre heftigen Winde bekannt. Außerdem wird die Straße oft sehr eng und bietet auf beiden Seiten so gut wie keine Schutzvorrichtungen. Frontalkarambolagen sind keine Seltenheit, da dieser Teil der Welt gerne von Campern und Touristen besucht wird.
500 Meilen lang diese schönen kurvigen Straßen und Farben in Schottland. PC @PaoloCattaneo
Ich war während meiner Fahrt durch die malerischen schottischen Highlands von den in wunderschönen Fjorden – den berühmten ‚Lochs‘ – versteckten mittelalterlichen Burgen fasziniert. Ich fühlte mich in eine Zeit zurückversetzt, in der Ritter und das Schwert das Land regierten. Diese mystischen Hügel und eiskalten Gewässer müssen die Männer und Frauen dieser Gegend so zäh gemacht haben. Und heute erfüllen sie uns Fahrer mit einem Gefühl des Stolzes.
Nr. 5 Gibb River Road, WA – Australien
Es ist wohl kein Geheimnis, dass Australien einen besonderen Platz in meinem Herzen einnimmt. Schließlich habe ich meine Motorrad-Weltreise dort begonnen. Auf meinem Weg um den ganzen Kontinent habe ich viele Highlights erlebt – eines davon war Tasmanien, ein wahres Muss für Motorradfahrer.
Meine KTM 1190 ADVENTURE ließ mich nicht im Stich beim Durchqueren des Pentecost Rivers in Australien. PC @PaoloCattaneo
Australien ist fast komplett flach und unwirtlich. Aus diesem Grund muss man Down Under auf unkonventionellem Weg nach Abenteuern suchen. Meine abenteuerlichste Fahrt habe ich auf der Gibb River Road gehabt. Dieser Teil von Westaustralien namens Kimberley ist einer der abgelegensten des gesamten Kontinents. Der herausfordernde Teil ist, dass man hier ganz auf sich allein gestellt ist. Ich verbrachte viele Tage mutterseelenallein, umgeben nur von Staub.
Bell Gorge. Ein 300 Millionen Jahre alter natürlicher Pool mitten in der Wüste (Australien). PC @PaoloCattaneo
Auf den gesamten 1.200 km der Strecke gibt es nur ein Roadhouse. Den Rest dominieren Staub, scharfe Felsen und Sand. Die Temperaturen schwanken das ganze Jahr über zwischen 34 und 43 °C. Um das Ende des Abschnitts zu erreichen, muss man drei Flüsse durchqueren. Diese wimmeln nur so vor Krokodilen und Giftschlangen. Aus irgendeinem Grund ist die Straße auch bei Road Trains beliebt – jenen berühmten australischen LKWs mit 4 oder 5 Anhängern, welche eine rote Staubwolke nach sich ziehen, die alles verschluckt, was ihr in den Weg kommt. Ihr könnt euch vorstellen, dass dies für Motorradfahrer nicht gerade ideal ist!
1.500 km hiervon bei 35°C brütender Hitze könnte den Mut mancher Menschen brechen … PC @PaoloCattaneo
Diese Straße besteht hauptsächlich aus scharfen Felsen. Als ich sie befuhr, zerschnitt einer von ihnen nach nur 120 km buchstäblich meinen schlauchlosen Vorderreifen und zwei der Stahlkabel im Inneren. Zum Reparieren des Plattens brauchte ich drei Flickkits und mehrere Kabelbinder, um diese zu fixieren.
Die Welt wartet darauf, von dir erkundet zu werden.
Worauf wartest du noch? #GoAdventure!
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