KTM investiert eine Menge Geld und Ressourcen, um auf den Rennstrecken dieser Welt – sei es bei der Dakar oder in Doha – konkurrenzfähig zu sein. Wie die meisten Hersteller, die im Motorsport aktiv sind, zieht auch KTM wertvolle Vorteile aus dem umfangreichen Motorsportengagement. Wir besuchten die Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Mattighofen und fragten zwei Bereichsleiter nach ein paar Details …
Alle Hersteller, die sich dem Motorsport verschreiben, versuchen bestmöglich von diesem Engagement zu profitieren, so auch KTM. Sei es für Entwicklungs-, PR- oder Vertriebszwecke oder einfach, um den Puls zu erhöhen und die Unternehmensphilosophie mit Leben zu füllen. Ein Motorrad auf die Rennstrecke zu bringen, ist ein Mammutprojekt, das bei Erfolg aber auch einen Mehrwert für die Firma bietet. KTMs READY TO RACE-Philosophie beruht auf mehr als 270 Weltmeistertiteln, Dominanz bei der Rallye Dakar und Grand Prix-Siegen. Dank eines neustrukturierten Werksauftritts in der AMA Supercross– und Motocross-Serie konnte KTM den Marktanteil in den USA deutlich ausbauen; selbst CEO Stefan Pierer zeigte sich überrascht, wie sehr sich die Investitionen in den USA auszahlen.
READY TO RACE
Für die F&E ist der Motorsport eine wichtige Ideenfabrik und das perfekte Testumfeld für neuentwickelte Pläne und Komponenten, die eventuell auch in Serienmodellen zum Einsatz kommen sollen. Allerdings sind die Voraussetzungen in der Offroad- und Street-Abteilung im österreichischen Entwicklungszentrum verschieden.
Enduro, Motocross und Supercross – sogar Rally – bieten eine ähnliche Vergleichsbasis für die Ingenieure, um Rennsport- und Kundenmodelle gleichermaßen zu optimieren. Aber natürlich gibt es auch in diesen Disziplinen Unterschiede. „Was den Input angeht, bekommen wir mehr Rückmeldung von den US-Teams; das liegt an den AMA-Regularien und daran, dass im Rennen Serienbikes eingesetzt werden“, sagt Bernhard Plazotta, Bereichsleiter R&D Offroad, in Bezug auf das strenge Regelwerk der AMA Supercross- und Motocross-Serie (auch wenn KTM spezielle ‘Factory Editions’ anbietet). In der FIM MXGP Weltmeisterschaft, in der Prototypen zum Einsatz kommen, sind die Voraussetzungen anders. „Im Grand Prix haben sie immer die Option, einen anderen Rahmen oder eine längere Schwinge zu fahren. Das ist in den USA unmöglich, da die Bikes homologiert werden müssen“, fügt Plazotta hinzu. „Man kann etwas anschweißen, aber nichts entfernen.“
Die knappen, anspruchsvollen und hektischen Supercross-Rennen bedeuten zusätzliche Belastung und Beanspruchung für Fahrwerk und Federelemente und erfordern drehmomentstarke Motorleistung; natürlich immer im Rahmen des Regelwerks, das den KTM-Technikern nur einen sehr kleinen Aktionsrahmen lässt. „Wir involvieren das US-Team so früh wie möglich, so dass wir ihr Feedback und ihre Ansprüche für die nächste Modellgeneration berücksichtigen können“, erklärt Plazotta. „Momentan arbeiten wir an den Details.“
Auf die Frage, wie die Bikes von Dungey, Musquin, McElrath und Co die zukünftigen SX-Modelle beeinflussen wird, zeigt ich Plazotta verständlicherweise verschlossen, gibt uns dann aber doch einen kleinen Einblick: „Was mir momentan bei den Rennen beobachten, ist, dass sie die elektronischen Hilfen weniger nutzen als der Durchschnittskunde. Sie fahren ohne Traktionskontrolle, weil sie denken, dass sie sie nicht brauchen oder sie keinen großen Vorteil bringt. Ich denke, elektronische Extraoptionen werden in den nächsten Jahren immer wichtiger werden.“
RYan Dungey (USA) KTM 450 SX-F 2016
Wenn wir auf die Straße wechseln und uns Modelle wie die RC8, 125, 390 oder 1290 SUPER DUKE R, bis hin zu dem, was KTM in der Moto3 und MotoGP an den Start bringt, anschauen, dann ist das Feld deutlich weiter. Wir sprechen immer noch von Zweirädern und im Falle der 1290 SUPER DUKE R von raffinierter Motortechnik, aber die Verknüpfung zwischen Motorsport und Serie ist deutlich geringer. Wo und wie kann die F&E also Nutzen aus dem Straßenrennsport ziehen? „Es gibt nicht viele Synergien, die wir nutzen können“, sagt Gerald Matschl, Bereichsleiter R&D Street. „Im Straßenrennsport sprechen wir meist von reinen Prototypenklassen. Dennoch gibt es Kontakt zwischen uns und der Motorsport-Abteilung, besonders, wenn es um das Verhalten und Handling geht. Wir teilen unsere Erfahrung im Bereich Fahrwerkssteifigkeit, Geometrie etc. Aber es ist in keiner Weise vergleichbar mit den Synergien im Offroad-Bereich.“
Wie andere relativ kleine Hersteller hat KTM die kurzen Wege und gut verknüpften Abteilungen genutzt, um schnell reagieren zu können und die besten Innovationen und Entwicklungen aus dem Motorsport in die Serienproduktion zu übertragen. In gleichem Maße, wie die F&E-Abteilung in Mattighofen im letzten Jahrzehnt enorm gewachsen ist, so ist auch die Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsstärke der Motorräder auf der Rennstrecke gestiegen. KTM ist in vielen Serien dominant und gewinnt eine Trophäe nach der anderen; Sam Sunderlands Sieg bei der Rallye Dakar ist ein Paradebeispiel. Mit Ingenieuren und Spezialisten, die ihre Erfahrung und ihr Wissen unmittelbar in den Fahrerlagern sammeln und dann zurück an ihre Zeichenbretter und Prüfstände eilen, bedeutet der Motorsport für das orange Team viel mehr als Ruhm, Werbung und Champagner.
Sam Sunderland (GBR) KTM 450 RALLY Dakar 2017
Fotos: KTM
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